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krea[K]tiv

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#weihnachtsschrei

Erstellt am: 13. Januar 2021
Kategorie: Kampagnen

Unser Brief an alle Kultusminister*innen!
Wir sprechen Klartext zur Situation der soloselbstständigen Künstler*innen!
Ein voller Erfolg!
UND wir haben schon Antwort von der Kulturministerkonferenz!
Wir haben etwas bewirkt.
Dieses war der 1. Streich – doch der nächste folgt sogleich.
Wir arbeiten weiter am Aufbau einer Lobby für Kunst und Kultur in der Politik!
Bleib dran und sei immer über unsere Korrespondenz mit wichtigen Weichensteller*innen informiert
Oder noch besser: Mach einfach mit

krea[K]tiv- musiktheater stands up!

#weihnachtsschrei

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,
sehr geehrte Herren Minister für Finanzen und Wirtschaft Scholz und Altmaier, sehr geehrte Frau Kulturstaatsministerin Prof. Grütters,
sehr geehrte Damen und Herren MinisterpräsidentInnen,
sehr geehrte MinisterInnen für Kultur der Länder und
sehr geehrte MinisterInnen für Finanzen der Länder!

Obwohl in den letzten Wochen und Monaten das Thema Kultur und die Probleme der freiberuflich in der Kultur Tätigen einen breiten Raum in der öffentlichen Diskussion eingenommen haben, ist angesichts ungelöster Probleme weitere Aufklärungsarbeit notwendig!

Wir gehören zu der Gruppe der sogenannten Soloselbständigen, FreiberuflerInnen und unständig Beschäftigten, die als sogenannte „Gäste“ an den deutschen Theatern und Opernhäusern seit Jahren vermehrt, neben den festangestellten KollegInnen der jeweiligen Ensembles arbeiten. Dazu gehören u.a. SängerInnen, SchauspielerInnen und TänzerInnen aber auch RegisseurInnen, Bühnen- und KostümbildnerInnen, ChoreographInnen, DramaturgInnen, LichtdesignerInnen und VideokünstlerInnen. In zweiter Linie davon betroffen sind dann auch die von den genannten in ihrem Einkommen Abhängigen, wie Agenturen, Coaches, KorrepetitorInnen u.a. Berufsgruppen, die die Vorarbeit, Unterstützung und Vertretung leisten.

SOLOSELBSTÄNDIGE SÄNGERINNEN

Wir möchten Ihre Aufmerksamkeit zunächst auf einen Missstand im Zusammenhang mit vermeintlich selbständigen SängerInnen und SchauspielerInnen lenken.
Im Sinne der Sozialversicherung sind diese für einen vertraglich festgelegten Zeitraum

  1. weisungsgebundene Angestellte vom ersten Probentag bis zur letzten Vorstellung und
  2. mit ihren Gagen beitragspflichtig in den Sozialversicherungen.

Die Tarifpartner (GDBA und Bühnenverein) haben im Zuge der Corona-Pandemie einen Tarifvertrag abgeschlossen, nach dem die Gäste an den kommunalen Theatern aufgrund ihres sozialversicherungspflichtigen Status unter die betriebliche Regelung zur Kurzarbeit fallen. In der Praxis ist daraus ein Wildwuchs an verschiedenen Umsetzungen entstanden:

NOVEMBERHILFEN

Solo-Selbständige SängerInnen sollten in den Genuss der sog. Novemberhilfen kommen. Diese dürfen sie aufgrund des Status als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aber nicht beantragen, bzw. Einkünfte aus dieser Tätigkeit im Referenzzeitraum nicht geltend machen. Verschiebungstatbestände wie z.B. Schwangerschaft, müssen in die Berechnung des Referenzzeitraums einbezogen werden können.

Der Freiraum in der Auslegung unserer Arbeitsverhältnisse, der hier den Arbeitgebern (Institutionen der Länder und Kommunen) gewährt oder angeordnet wurde, verkehrt sich bei den Hilfsprogrammen in einen Nachteil mit existenziellen Folgen, denn bereits die Überbrückungshilfen sind und waren für uns nicht zugänglich!

DETAILS UND EIGENHEITEN

Unsere Branche ist im Vergleich mit anderen klein und vielleicht kompliziert zu verstehen. Aber im Grunde sind wir – wie viele andere auch – Beschäftigte der öffentlichen Hand, da wir fast ausschließlich an öffentlich finanzierten Opernhäusern und Theatern tätig sind. Viele von uns fallen aber – anders als Beschäftigte im Festengagement des NV-Bühne, im TvÖD oder als Beamte – durch das Netz der Hilfsprogramme und rutschen ohne Anrecht auf ALG I direkt in die Grundsicherung oder leben von ihrer Altersvorsorge. Diese Schieflage ist ein strukturelles Problem der Versuche, diese Krise mit Ausgleichszahlungen abzufedern. Festangestellte KünstlerInnen gehen in Kurzarbeit, Selbständige Gäste in Hartz 4 – nachdem sie ihre Altersvorsorge bis zum Schonvermögen aufgebraucht haben.

Viele Argumente sprechen dafür, dass die Theater als öffentliche Einrichtungen von ihren politischen Trägern verpflichtet werden sollten, ihren vertraglich vereinbarten Verpflichtungen nachzukommen:

  1. Es ist nicht endgültig juristisch geklärt, aber die sog. Höhere Gewalt, die in den Verträgen als Absagegrund enthalten ist, sollte in Bezug auf die Corona-Pandemie keine Anwendung finden, da es sich hier um ein behördlich angeordnetes Aufführungsverbot handelt, beziehungsweise kein oder zu wenig Publikum in die Theater darf.
  2. Viele vorvertragliche Leistungen – bspw. die Einstudierung der Partien sind bereits erbracht, teils auch die Probenarbeit. Die dafür aufgebrachten Kosten sind nicht unerheblich. Derzeit ist es aber Usus, dass der Großteil der Gage nicht auf zeitaufwändige Proben- und Einstudierungsarbeit entfällt, sondern ausschließlich auf die wenigen Vorstellungen. Dieses Ungleichgewicht führt auch dort zu Problemen, wo die Regelung zur Kurzarbeit für Gäste vorbildlich umgesetzt wird. (siehe Anhang)
  3. Das Argument der nicht erbrachten Leistung (keine Vorstellung vor Publikum) demaskiert sich von ganz allein: Unsere künstlerische Leistung hätte erbracht werden können und wurde von den Theatern nicht abgenommen.
  4. Für Theaterleiter besteht mit dem Mittel des Kurzarbeitergeldes eine Möglichkeit, ihre Budgets spürbar zu entlasten, bzw. sogar zu steigern. Es wurden sogar Produktionen vorzeitig abgesagt, weil die Möglichkeit der Kurzarbeit, die Mindereinnahmen aus dem Ticketverkauf besser kompensiert als Vorstellungen vor z.B. maximal 25% der möglichen Zuschauer durchzuführen.

Dies betrifft auch die Solo-Selbständigen mit Werkverträgen (RegisseurInnen, Bühnen- und KostümbildnerInnen, sowie im Umfeld der den SängerInnen zuarbeitenden Berufsgruppen wie Coaches, KorrepetitorInnen und Agenturen, die auch von diesem System finanziell abhängig sind).

WAS SIE TUN KÖNNEN:

Der Ausweg aus dieser sozial- und arbeitsrechtlichen Krise im Bereich Theater und Oper, besteht für uns derzeit nur auf dem Klageweg. Ein juristisches Vorgehen gegen einen der wenigen Arbeitgeber auf dem deutschen Markt der Theater und Opernhäuser ist für die meisten von uns mit Ängsten um zukünftige Engagements verbunden. Die Machtstrukturen an den Theatern sind einseitig zu Lasten der Gäste ausgelegt, daher wagen nur wenige Betroffene, Ihre Rechte einzufordern.

Wir bitten daher um eine Klärung folgender Fragen:

  1. Wie sieht die Gesetzeslage in Bezug auf die Argumentation von Höherer Gewalt im Zusammenhang mit Aufführungsverboten durch die Corona-Pandemie tatsächlich aus? Und inwieweit reicht diese Begründung aus, ein geschlossenes Vertragsverhältnis zu einseitigen Lasten aufzulösen?
  2. Wie könnte das Dilemma der (Gast-) DarstellerInnen gelöst werden? Angestellt oder selbständig? Unser Vorschlag: Wenn angestellt, dann mit allen Vorteilen (Absicherung bei Schwangerschaft, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Anrecht auf ALG I, etc.). Wenn selbständig, dann ohne Pflicht in die gesetzlichen Sozialversicherungssysteme einzahlen zu müssen, sowie mit Zugang zur Künstlersozialkasse und der freiwilligen Arbeitslosenversicherung.
  3. Welche Möglichkeit gibt es, die sog. Novemberhilfen für unsere Berufsgruppen zu öffnen und auch die auf Lohnsteuer verdienten Brutto-Honorare einzubeziehen, oder wenn dies so nicht möglich ist, die Träger der Theater zu verpflichten, auch Gäste während der Theaterschließungen vertragsgemäß vollständig zu bezahlen?
  4. Wieso ist es möglich, dass TheaterintendantInnen Tarifvereinbarungen auf Weisung von Landes- oder KommunalpolitikerInnen nicht einhalten müssen bzw. auf ebensolche Weisung die Auszahlung vereinbarter Gagen mit Verweis auf Höhere Gewalt verweigern können?

Aufgrund der immer länger währenden und existenzbedrohenden Krise für die Betroffenen, bitten wir Sie um eine zeitnahe Antwort und bieten Ihnen auch gern unsere Erfahrungen und Expertise auf diesem Gebiet in einem persönlichen Gespräch oder einer Anhörung an!

Hochachtungsvoll…

krea[K]tiv – musiktheater stands up

2020 als Bühnenheld*innen ausgezeichnet vom Aktionsbündnis Darstellende Künste