krea[K]tiv

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Gedanken im Februar

Erstellt am: 13. Januar 2021
Kategorie: Blog

Der Grund, weshalb ich mich bei unserer Bewegung  kreak[K]tiv musiktheater stands up wiederfinde, ist, dass sie für mich von Beginn an im Mittelpunkt ihrer Bemühungen den Menschen, sprich den/die Künstler*in und nicht allein die Kunst gesehen hat.

 

Bei den uns allen fehlenden Auftritts-, Vermittlungs- und Werkmöglichkeiten während der Pandemie stehen momentan die existenziellen und sozialen Probleme von Menschen im Mittelpunkt unserer Arbeit. Den damit verbundenen schmerzlichen Verlust der künstlerischen Äußerung müssen wir uns gegenseitig nicht erklären, wie wir diesen aber denen nicht erklären können, welche ihn nicht spüren. Er sollte deshalb nicht im Vordergrund stehen. Unsere materiellen Probleme unterscheiden sich letztendlich nicht von den Sorgen und Nöten anderer Solo-Selbständiger.

Die Kunst an Theatern ist nach Abklingen der Pandemie mittelbar in Gefahr durch Kürzungen, Rückzug des Staates und durch eine generelle Verschiebung der Aufmerksamkeit zu Materiellem. Das bedroht uns und unsere Lebensgrundlage, wir müssen alle Kräfte bündeln – im Schulterschluss  mit allen Verbänden und Gemeinschaften – um dem entgegenzuwirken.

Dabei kann Kunst aber per se entseelt, kalt und unempathisch, narzisstisch geprägt und gleichzeitig unendlich groß und ästhetisch sein. Der Mensch kann in ihr und daneben untergehen, ohne dass diese Erhabenheit darunter leidet. So kann ein Kunstbetrieb wie ein Theater unendlich Wertvolles erreichen und gleichzeitig die Menschen, die das vollbringen, zum Teil auch durch strukturelle Probleme von außen, oder falsch ausgewählte Menschen in Führungspositionen, entsetzlich unmenschlich behandeln, dies ist auch vor COVID/ SARS  2 geschehen und geschieht täglich.

Aus diesen Erwägungen sehe ich die Fokussierung der momentanen Arbeit nicht darin, der Kunst zu ihrem Recht zu verhelfen, sondern ihren Künstler*innen und zwar im Sinne einer wirtschaftlichen Absicherung. So wird bestimmten Gruppen wie der der soloselbständigen Künstlern in der Pandemie ein anhaltendes „Sonderopfer“ zum Wohle aller auferlegt, ohne sie dafür zu entschädigen. Jetzt kann man auf das „allgemeine Lebensrisiko“ aller Selbständigen verweisen und die Schultern zucken, spätestens wo aber die öffentliche Hand als Betreiber der Theater und Arbeitgeber ohne echtes eigenes Betriebsrisiko den Freischaffenden  ohne  Ausfallregeln die Tür weist, bekommt dieser Umstand etwas Skandalöses.

Wir erfahren eine große Kluft zwischen uns und der Gesellschaft, der wir offensichtlich nicht so wichtig sind, wie wir uns immer erhofft hatten. Das ist etwas, was wir hinnehmen müssen und nur langfristig verändern können. Falsch wäre es meiner Meinung nach, Menschen von der Wichtigkeit der Kunst und Kultur mit der Brechstange überzeugen zu wollen, gerade in diesen Zeiten.

Die Stellung der Kultur und mit ihr die Kunst in unserer Gesellschaft zu stärken und sie womöglich auch besser im Grundgesetz zu verankern sehe ich als wichtiges langfristiges Ziel. Ich bin jedoch hier der Überzeugung, dass es um die Kunstfreiheit in diesem Lande nicht schlecht bestellt ist. Weder sind Stücke verboten, oder es ist verboten welche zu schreiben, noch gibt es Zensur, allein vor Menschen live aufzutreten ist uns momentan versagt. Dass hier pauschal verboten wurde, obwohl sich Theater alle Mühe gaben, empfinde ich persönlich als ungerecht, da die Ungleichbehandlung beispielsweise mit den Gottesdiensten für mich nicht nachvollziehbar ist. Während das dort geschützte Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Zelebranten und Gemeinde als elementar betrachtet wird und das für mich sehr ähnliche gemeinschaftsstiftende Gefühl einer Theateraufführung genauso schützenswert ist, ebenso Trost spenden, das Gefühl des Alleinseins überwinden kann und uns als soziale Wesen bildet, hat die Politik flächendeckend dagegen entschieden. Dies ist schließlich auch deshalb ungerecht, weil einer bestimmten Gruppe Menschen, deren existenzielle Grundlage eben nunmal diese Begegnungsorte sind, keinerlei Verdienstperspektiven oder Alternativen angeboten wurden und sie kaum aufgefangen wurden. Die soziale Absicherung der festangestellten Theaterbeschäftigten ist ein Beispiel, wie selbstverständlich man die Arbeit der Künstler schützen kann, indem man sie schlicht anderen Arbeitswelten gleichsetzt. Dies muss für die Freischaffenden ebenso erreicht werden.

Wie sollen wir auf uns aufmerksam machen? Wer die Sonderstellung der Theater in einer Zivilisation nicht anerkennt, wer dies als Freizeitspaß  und entbehrlichen Luxus einordnet, wird umso mehr Widerstand bei ihrer Rettung leisten, je mehr er Vorwürfen ausgesetzt wird, er habe deren Bedeutung eben nur nicht „begriffen“.

Das ist ähnlich, wie wenn Menschen sich zum ersten Mal aufraffen, ins Theater zu gehen und in einer abstrakt- provokant verhandelten Inszenierung sich als Kunstbanausen fühlen müssen, wenn man als Regisseur oder Theater ihnen dieses Gefühl nicht nehmen kann oder will.

Keine Sonderstellung zu beanspruchen in unseren Forderungen an die Politik, finde ich deswegen klug. Hingegen darauf hinzuweisen, dass Teile von uns in einer Art Berufsverbot durch alle Raster fallen und dass dies an strukturellen Problemen liegt, welche angegangen werden müssen, sollte umso mehr vorangetrieben werden.

Viele von uns haben die Erfahrung gemacht, dass die uns eigene Emotionalität im Brückenschlag zu Politik und Publikum eher im Weg ist und dass pragmatische Vorschläge ankommen. Dass wir mit diesen gehört werden, beweist die Antwort von Dr. Lederer und der Kultusministerrunde.

Wir sollten uns deshalb weiterhin – so meine ich – davor hüten Schuldzuweisungen auszusprechen oder unserer Enttäuschung Luft zu machen.  Wir sollten uns auch nicht ohne Not im Zusammenhang mit berechtigter Kritik an den Regierenden auf die Kunstfreiheit  beziehen, welche weniger in Frage steht, vielmehr sollten wir Gleichberechtigung und Berufsfreiheit im Schilde führen.

Die Politik braucht klare und sachliche, gut recherchierte Fakten, um die Bedingungen ändern zu können. Gut gemeinte und mächtige Rundumschläge, von denen wir viele kennen, generieren tausende von Clicks aus der Blase der Gleichgesinnten, verfangen aber offensichtlich nicht bei denen, die uns helfen könnten.

Der Weg der beharrlichen Sachlichkeit ist der richtige, das nicht Nachlassen über Missstände aufzuklären und gleichzeitig realistische Vorschläge zur Verbesserung zu machen, wird uns Erfolg bringen. Und wo Dinge ungeklärt sind, müssen Gerichte helfen, dafür sind sie da.

Das Musiktheater und ihre Künstler*innen stehen auf. Endlich.