Es ist Sommer und Du hast gerade frisch Dein Master-Studium in Berlin beendet. Das Theater und Musik sind Dein Leben und hier möchtest Du jetzt Fuss fassen und loslegen – ob Musiker:in, Sänge:in oder Regisseur:in. Natürlich warst Du im Theater in vielen Vorstellungen und hast schon viele Eindrücke gesammelt, vielleicht auch schon einmal hospitiert – natürlich unbezahlt.
Wie geht es jetzt weiter?
Dein Kumpel hat Dir gerade gesagt, dass am Theater Rheingoldingen ein/e Assistent:in gesucht wird. Das ist Deine erste Chance!
Zwei Tage nach Deiner Online-Bewerbung kommt die Mail – wir laden Sie zum Vorstellungsgespräch. Die Freude ist groß – vielleicht kannst Du ja sogar eigene Projekte vorschlagen? Schnell suchst Du Deine Studienarbeiten zusammen und freust Dich auf Dein Meeting.
Nach der vierstündigen Bahnfahrt in die Provinz, die Dich erstmal 67 Euro gekostet hat, lässt man dich an der Pforte erst einmal warten. Zwei andere Bewerber:innen sind auch noch da, dann werdet ihr alle ins Betriebsbüro geschickt. Die Chefdisponentin hat noch einen wichtigen Telefon-Termin, ein Einspringer am Abend muss gefunden werden.
Eine halbe Stunde zu spät sitzt du endlich in ihrem Büro und willst gerade Deine Abschlussarbeit erläutern, da kommt die Frage: „Haben Sie schonmal eine Produktion betreut?“ – „Ja, im Studio an der Komischen Oper.“- „Schön, Sie wissen, dass Sie bei uns sowohl Oper als auch Schauspiel mitbetreuen, je nach Notwendigkeit?“ – „Ah, ok, das stand gar nicht in der Ausschreibung…“ – „Ja, das hat mein Assistent sicher vergessen zu schreiben, die Stelle wird kurzfristig frei. Könnten Sie schon vor der Spielzeitpause anfangen?“ – „Ja, theoretisch schon..“ – „Prima. Bei uns kriegen Anfänger immer die Mindestgage von 2.000 €, ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung?“ – „Äh, ich hatte da nicht drüber nachgedacht. Aber ich würde auch gern was eigenes machen, gibt es denn auch eine Regiemöglichkeit…“ – „Ja, das können wir dann schon sehen, es sind zwei Stücke noch nicht besetzt, das würden wir dann später besprechen.“
Spätestens hier bist Du völlig überrumpelt – vor lauter Schreck sagst du vielleicht gleich ja. Wenn Du eine Frau bist, ist die Wahrscheinlichkeit sogar doppelt so groß, dass Du mit der Mindestgage in einen Normalvertrag Solo hineinschlitterst.
Wer um jeden Preis spielen will, mit dem wird gespielt…
Wenn in Verhandlungen Sätze fallen wie „Vertrauen Sie mir. Mein Wort gilt, auch wenn es nicht im Vertrag steht.“, solltest Du auf der Hut sein. Denn wir von krea[K]tiv – Musiktheater stands up mit langjähriger Erfahrung sagen dir – Nein. Niemals. Vertraue niemandem im Theater blind. Es gibt keine Freundschaften zwischen Angestellten und dem Chef. Lass Dich nicht von solchen Floskeln einwickeln. Alles muss schriftlich festgehalten werden. Statt mündlich einzuwilligen, solltest Du Dir Antworten zurecht legen wie z.B.
„Ich vertraue Ihnen auf jeden Fall. Aber ich möchte nicht, dass es später vielleicht zu Missverständnissen kommt, weil wir möglicherweise indirekt verschiedene Sachen gemeint haben. Da ist es klarer, wenn wir alles schriftlich festhalten.“
Vorbereitung ist alles
Verkaufe Dich bei Vertragsverhandlung nicht unter Wert, da der Intendant oder die Operndirektorin ein gezieltes Interesse an Dir haben. Bei Festanstellungen wird das Gehalt nicht oft erhöht und nur bei den jeweiligen Tarifrunden angepasst. Viele Theater haben einen Haustarifvertrag, und eine Gehaltserhöhung ist kaum möglich. Deshalb solltest Du bei Verhandlungen mit den eigenen Gehaltsvorstellungen immer um einiges höher einsteigen, um gegebenenfalls Verhandlungsspielraum zu haben.
Es gibt verschiedene Situationen, in denen Du Deine ersten Verhandlungen führen musst. Je mehr Du Dir auch Unterstützung z.B. von Freunden / Kollegen oder Familie holst, die Dich bei solchen Verhandlungen unterstützen und beraten, umso besser. Konkret sind auch Rollenspiele als Vorbereitung z.B. im Studium eine große Hilfe, um im entscheidenden Moment nicht alles zu akzeptieren.
Oft schiebt sich auch gleich zu Beginn ein Agent dazwischen, aber nicht immer ist das der Fall und je früher Du für so einen Moment gewappnet bist, desto besser. Wenn Dein Agent für Dich verhandelt, wird er einen Überblick darüber haben, was an dem jeweiligen Theater gezahlt wird. Du musst nicht dem ersten Angebot zustimmen. Dein Agent möchte sicher auch in Zukunft gute Geschäfte mit dem Theater machen und wird versuchen, eine Balance zu finden, die aber nicht unbedingt für Dich so vorteilhaft ist.
Wenn Du konkrete Zahlen wissen möchtest, was wer wo verdient hat, kannst Du Dir beim Portal www.theapolis.de (gegen Honorar) auch eine Gagenberatung geben lassen, dort existiert eine große Datenbank mit anonymisierten Verträgen, die stetig wächst. Bei ersten Gastverträgen kann sich das durchaus lohnen.
Der Text ist ein erweiterter Auszug aus „Vom Ton zum Lohn“ mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Verlag. Das Buch ist auch auf englisch erhältlich „Earn a fee for your High C – a Singer’s Guide to Germany“.